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Dejan Vekić. Offener Blick – Fotografische Spuren urbanen Lebens

 

Foto: Dejan Vekić

 


 

Termine und Programm

Eröffnung: 8.2.2013, 14 Uhr, Etage 1, Raum 09
Ort: Zentrales Treppenhaus der Universitätsbibliothek
Dauer: 8.2. - 7.4.2013
Eintritt ist frei


Begrüßung
Dr. Erda Lapp, Direktorin der Universitätsbibliothek

Begrüßung
Prof. Dr. Markus Koller, Lehrstuhl Geschichte des Osmanischen Reiches und der Türkei, RUB

Zur Ausstellung
Dejan Vekić, Sarajevo

Kontakt
Gisela Ogasa, Universitätsbibliothek, Tel. 0234 - 32 27354

Anschrift / Anfahrt


Zur Ausstellung

Vom 7. bis zum 9. Februar 2012 findet in Bochum die jährliche Mitglieder- und Jahreshauptversammlung mit einem wissenschaftlichen Symposium der Südosteuropa-Gesellschaft statt. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird in der Universitätsbibliothek eine Präsentation bildender Kunst gezeigt, diesmal mit Werken des in Sarajevo lebenden Fotografen Dejan Vekić.

Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit der Universitätsbibliothek Bochum mit der Südosteuropa-Gesellschaft und Professor Dr. Markus Koller, Lehrstuhl Geschichte des Osmanischen Reiches und der Türkei, RUB.

1971 in Sarajevo geboren, hat Dejan Vekić zahlreiche Fotoserien veröffentlicht, in denen er Städte (u.a. Sarajevo und Paris) sowie Personen auf eine ganz eigene und besondere Art in Szene setzt, mit der er die Betrachter in seine Bilder hineinzuziehen scheint.
Dejan Vekić arbeitet regelmäßig als Standfotograf bei verschiedenen Filmprojekten, oft gemeinsam mit dem Regisseur Danis Tanović. So begleitete er beispielsweise mit der Kamera die Dreharbeiten des Films „No Man’s Land“, der 2001 den Oscar als bester ausländischer Film gewann.
Dejan Vekić hat seine Arbeiten bereits in Rom, Paris, Prag, Berlin und New York gezeigt. In der Universitätsbibliothek wird nun eine Auswahl zu sehen sein. Wir zeigen Bilder aus drei Fotoserien: KAOSARAJEVO (1992-1995), IN THE SAME TIME (1998-2001) und KPZ ZENICA (2004).


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Wir danken der Südosteuropa-Gesellschaft für die freundliche Unterstützung.


Dejan Vekics Offener Blick

von Arifa Ramović

Dejan Vekić (geb. im Mai 1971 in Sarajevo) hatte "Glück im Unglück": als im April 1992 die Belagerung seiner Geburtsstadt begann, erhielt er noch während seines Studiums an der Hochschule für Angewandte Kunst in Sarajevo (1992) den Auftrag, die Kriegszerstörungen in Sarajevo mit der Kamera festzuhalten1. Meist hatte er dafür zwei Fotoapparate dabei. In Farbe dokumentierte er die Verwüstungen, während die Schwarz-Weiß-Aufnahmen ihm einen persönlichen Ausgleich verschaffen sollten2. Seitdem ist für Dejan Vekić die Fotografie Beruf und Berufung zugleich und er teilt seine Werke in zwei Kategorien ein: „kommerzielle Fotografie“ und „nicht kommerzielle Fotografie“. In der bosnisch-herzegowinischen Kunstlandschaft ist Dejan Vekić mit seinen Arbeiten schon längst etabliert3 und zahlreiche seiner fotografischen Bilder sind bereits in mehreren Museen in- und außerhalb seines Heimatlandes ausgestellt worden4.

In der Bochumer Universitätsbibliothek wird in Kooperation mit der Südosteuropa-Gesellschaft zum ersten Mal eine Retrospektive der nicht kommerziellen Arbeiten von Dejan Vekić gezeigt. Die Ausstellung setzt sich aus dreißig fotografischen Werken zusammen, die zu den folgenden drei Serien gehören: KAOSARAJEVO (wieSarajevo, 1992-1995), IN THE SAME TIME (1998-2001) und KPZ ZENICA (Gefängnis Zenica, 2004). In ihnen konzentriert sich der Künstler vorwiegend auf „begrenzte“ Mikrokosmen wie das belagerte Sarajevo (1992-1995), die mehrheitlich aus der Vogelperspektive abgebildeten Straßen von Paris und Straßburg sowie das Gefängnis in der zentralbosnischen Stadt Zenica.

Dejan Vekić sieht in der Fotografie ein künstlerisches Ausdrucksmittel, durch das er seinen Lebensraum wahrnehmen und reflektieren kann. Das künstlerische Schaffen eines Fotografen – so Vekić – verträgt keine Schranken des Typologisierens, keine Einengung durch stilistische bzw. thematische Kategorien. Es ist vielmehr durch Heterogenität der Inspirationsquellen und Kombinationsmöglichkeiten der fundamentalen fotografischen Zeichensysteme und Symboliken gekennzeichnet. Dem „offenen Blick“ vertrauend strebt Vekić danach, alltäglich wirkende Komponenten der ihn umgebenden Realität mit ästhetischen Effekten zu verbinden. Sein Ziel ist es weder zu dokumentieren noch abzubilden. Daher können seine Fotografien keinesfalls als bloße Mimesis der Objekte in ihrer jeweiligen realen Umgebung verstanden werden. Vielmehr sind diese nur eine der konkretisierten Ausdrucksformen aus einer Myriade fotografischer Entdeckungen des Raums mit all seinen geheimnisvollen und rätselhaften Bedeutungen.

Die Kunst der Fotografie besteht für Dejan Vekić sowohl aus den individuellen Fähigkeiten eines Künstlers als auch aus seinem Wissen über die technischen Komponenten5. Die Vorliebe Vekićs gilt Fundobjekten im ursprünglichen Zustand, unabhängig davon, ob es sich um einen Lebensraum oder um Menschen handelt. Er sucht die Objekte nicht, sondern lässt sich von ihnen „finden“. Durch das Verfahren der Low-Key-Beleuchtung verleiht Vekić den abgebildeten Objekten beinahe abstrakte Formen ohne Gewicht und erhöht deren Narrativität. Die Komposition lässt sich somit nicht nur auf eine Summe fotografischer Formen oder symbolischer Ideogramme herunterbrechen. Sie bietet vielmehr eine imaginäre Raumsemantik, die einen Zusammenhang zwischen den physischen Formen der Objekte und deren Sinnhaftigkeit herstellt.

Durch die Kamera reduziert Vekić die Umgebung auf Einzelteile, die keineswegs statisch wirken. Sie sind in ständiger Bewegung und gleichzeitig aber auch einer gegenseitigen Wechselwirkung ausgesetzt, aus denen die eigene Realität dieser Werke herausragt. Die fotografischen Bilder Vekićs können daher nicht als defätistisch bezeichnet werden, sondern zeugen von der Bereitschaft, nicht aufzugeben. Die Brücke, die klare Linie des Weges entlang der Mauer, die Verkehrsschilder, der direkte Blick aus der Gefängniszelle, alles gibt einem das Gefühl, dass das Leben auf eine Lösung/Erlösung zulaufen kann. Dem Betrachter bleibt es selbst überlassen zu entscheiden, warum es sich lohnt, seiner Faszination nachzugehen…


 Foto: Dejan Vekić

Die Serie KAOSARAJEVO

In der Serie KAOSARAJEVO (wieSarajevo) geht Dejan Vekić der Frage nach, wie die Lebensrealität von Menschen in einer unter ständigem Beschuss liegenden Stadt (1992-95) fotografisch darstellbar ist. Dabei konzentriert er sich auf wesentliche Merkmale der ihn umgebenden Situationen und schafft somit der Zufälligkeit enthobene, charakteristische Fotos mit einer allgemeinen Botschaft von Zerstörungskraft. Die Bilder sind zwar in Sarajevo entstanden, ihr Inhalt ist aber auch auf andere Kriegsschauplätze übertragbar.
Mit minimalistischen Lösungsansätzen, die dem Dokumentargenre eigen sind, verweisen seine Bilder auf Erscheinungsformen in einem urbanen Raum, der von Zerstörung und scheinbarem Chaos gekennzeichnet ist: Schutzbarrikaden, Müllberge und Granatenkrater prägen den öffentlichen Raum und stellen gleichzeitig Begrenzungen dar, die den Bewegungsradius der Bewohner bestimmen. Sogar die berühmte Eiffel-Brücke über den Fluss Miljacka hat sich in ein Symbol der Einengung verwandelt, da deren Betreten mit der Gefahr verbunden war, Opfer eines Heckenschützen zu werden. Vekićs Schwarz-Weiß-Fotografien erzeugen eine Atmosphäre, die dem Betrachter das belagerte Sarajevo als eine ausgegrenzte Stadt erscheinen lässt. Der tiefliegende und wolkenreiche Himmel sowie die glaslosen Fenster vermitteln eindringlich die Ausweglosigkeit der Situation.
Gleichzeitig enthüllt die narrative Ebene seiner fotografischen Werke die Entschlossenheit der Eingeschlossenen zu überleben. Dadurch entsteht eine Dialektik von Stillstand und Bewegung, die Vekićs Bilder charakterisiert. Vekić verweist mit Hilfe der Kontrapostmotive auf Spuren und Dynamiken urbanen Lebens: Hochhäuser, Graffitis an den Wänden und Menschen in Bewegung bilden einen deutlichen Kontrast zu Barrikaden und leer stehenden Ruinen. Die gliederlose, nackte Fensterpuppe erscheint in einem hellen Licht, umhüllt wie ein Denkmal der vergangenen Normalität, und trotzt der leeren Dunkelheit im Hintergrund mit der zeitlosen Eleganz ihres ausgestreckten Halses.


Foto: Dejan Vekić

Die Serie IN THE SAME TIME

In der Serie IN THE SAME TIME setzt sich Vekić mit der paradoxen Ebene seines künstlerischen Schaffens auseinander. Er sucht nach Wegen, in einem aus unzähligen Objekten und Möglichkeiten bestehenden Lebensraum wie dem einer Straße die Leere und Unentschlossenheit des Einzelnen zu zeigen. In den breiten Straßen von Großstädten (Paris) reduziert Vekić seinen Blick auf die unmittelbare Umgebung und richtet sein Objektiv auf die Symbolik der Bewegung: Straßenschilder, Markierungen oder Schritte. Die ungewöhnliche Perspektive von unten nach oben und umgekehrt erzeugt die Dynamik der Komposition. Durch die Konzentration auf den Mikrokosmos dieser Zeichen verlagert der Künstler die Aufmerksamkeit von Außen nach Innen und sucht nach Assoziationen und metaphorischer Komprimierung.

Nicht die Motive, sondern die verborgene Semantik fesselt unsere Augen. Vor einem Verkehrsschild wird der Passant mit einer Entscheidung konfrontiert. Er kann nach rechts oder links abbiegen oder geradeaus gehen. Genauso wie der Betrachter! Die Vielschichtigkeit der schwarz-weißen Tonwertskala sowie der Schatten und Silhouetten geben den Bildern eine komplizierte Kompositionsstruktur. Es ist nicht wichtig, den Zuschauer in den Augenblick der Aufnahme zu versetzen. Vielmehr regen die Bilder aus dieser Serie dazu an, innezuhalten und in sich zu gehen. Darüber nachzudenken, was man sieht und was das Gesehene in einem hervorruft. Durch ihren unkonventionellen Blickwinkel bieten die Bilder kontrastreiche Lichtverhältnisse, Schattenzonen und geometrische Formen ab, die die Wahrnehmung zu vertiefen helfen. Vekić thematisiert sowohl seine Interpretation der ausgewählten Objekte als auch die Formen und Bedeutungen, die der Betrachter mit dem Foto assoziieren kann. Was kann das Auge des Fotografen erfassen, um etwas aus einer Lebensrealität in das fotografische Zeichensystem zu übertragen? Eine Unbegrenztheit wird mit der grenzenlosen Fülle an Möglichkeiten konfrontiert. Der Fotograf hat die Sisyphusaufgabe der Entscheidung, genau Jetzt und genau Das abzubilden. Ohne diese Beherztheit zu handeln gibt es keine Fotografie. Dejan Vekić hat sich getraut und seine Fotos vermitteln die Botschaft, dass es sich lohnt, Mut zu haben... zum Leben, zum Schaffen...


Foto: Dejan Vekić

Die Serie KPZ ZENICA

In der Serie KPZ ZENICA (Gefängnis Zenica) begibt sich Vekić auf eine Entdeckungsreise in einen von der Außenwelt weitgehend abgeriegelten Raum, wo eine Gesellschaft deviantes Verhalten bestraft. In dieser unbekannten und „verruchten“ Welt wird das Leben im Rahmen begrenzter Bewegungs-und Handlungsmöglichkeiten organisiert. Mit einer Digitalkamera versucht Vekić die Erscheinungsformen des strafrechtlich verordneten Freiheitsentzugs durch eine voyeuristische Vorgehensweise zu erfassen. Im Inneren des Gefängnisses ist es dunkel; nur Dämmerlicht und eine bedrohliche Enge. In einer rein deskriptiven Weise werden vergitterte Fenster, Glocken, nummerierte Schließfächer sowie Handschellen und damit die in unserem Bewusstsein fest verankerten Einzelheiten dieses Lebensraums dargestellt. Die elektronischen Bilder umfassen zwar nur einen beschränkten Tonwertreichtum, dafür bieten sie aber klar strukturierte und präzise Konturen, wodurch eine Atmosphäre von Abgrenzung und Beklemmung vermittelt wird. Dadurch verweist Vekić auf die Natur hinter der visuellen Wahrnehmung seiner Objekte.

In dieser Serie erweitert der Künstler sein Bildspektrum, indem er nicht mehr nur Räume, sondern nun auch Menschen ablichtet. Dejan Vekić lässt seine Objekte agieren, nicht reagieren. Die von ihm dargestellten Personen ziehen uns durch ihren direkten Blick an. Ihre Körperhaltung und Gestik vermitteln einen Einblick in die persönlichen Dramen der Gefangenen, ihr Scheitern und ihre Hoffnungen. Aber eben nur einen Einblick! Denn es bleibt immer ein geheimnisvoller Schleier erkennbar, den der Betrachter vergebens zu durchdringen versucht.


Als Fotograf strebt Vekić durch seine Intuition danach, den Schein vom Sein, das Objekt von seinem imaginären Schatten und das Allgegenwertige vom Zufälligen zu unterscheiden. Seine Werke charakterisieren zugleich deskriptive als auch narrative Elemente sowie Realismus und Verfremdung. Dieses Konzept baut darauf auf, die Wahrnehmungen des Betrachters einzubinden. Erst dadurch ist der Kreis zwischen einer Fotografie und der durch das Auge des Betrachters erfassten Essenz geschlossen. Der Fotograf kann dies nicht erzwingen; es ist allein sein fotografisches Werk, das den Betrachter womöglich dazu veranlasst, zu hinterfragen...

 

1 Leslie Fratkin (2000). SARAJEVO Self-portrait: The View from Inside. New York. S. 78-93
2 Ibid. S. 80
3 RETROSPEKTRUM. Umjetnička Galerija BiH [Kunstgalerie BiH]. Sarajevo 2008, S. 90-92; http://www.balkaninsight.com/en/gallery/like-sarajevo-20-years-later, letzter Zugriff am 25.08.12
4 Eine Auflistung der Ausstellungen und Museen lässt sich auf Vekics Website unter CV finden: http://www.dejanvekic.com/#!cv; letzter Zugriff am 13.12.2012
5 http://www.youtube.com/watch?v=p5G4D_X4ltY; letzter Zugriff am 13.12.2012


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