Paul Mersmann: Das Alphazet
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Termine und Programm
Eröffnung der Ausstellung: Donnerstag, der 27. Mai 2010
Uhrzeit: 17 Uhr
Ort: Universitätsbibliothek, Universitätsstr. 150, Etage 1
Dauer: 27.5. - 31.8.2010
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 8 - 24 Uhr, Samstag von 11 - 20 Uhr, Sonntag von 11 - 18 Uhr
Begrüßung
- Gisela Ogasa, Universitätsbibliothek
Einführung
- Prof. Dr. Monika Schmitz-Emans, Lehrstuhl für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, RUB
Kontakt
- Gisela Ogasa, Universitätsbibliothek, Tel. 0234 - 32 27 354
Zur Ausstellung
Paul Mersmann: Das Alphazet - Lexikographik als literarisch-künstlerische Schreibweise
In Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der RUB sowie mit Renate Solbach (Fernuniversität Hagen) und Steffen Dietzsch zeigt die Universitätsbibliothek Arbeiten des Künstlers Paul Mersmann. Schwerpunkt der Ausstellung, deren Eröffnung das gleichlautende Symposium einläutet, sind die ABC-Bücher Mersmanns.
Der 1929 in Berlin-Dahlem geborene Maler, Bildhauer und Schriftsteller Paul Mersmann bezeichnet sich selbst als einen Nachfahren der Surrealisten, deren Credo gut sichtbare Spuren in seinem uvre, vor allem den großformatigen Wandbildern der achtziger Jahre, hinterlassen hat. In den »A.B.C.-Büchern« meldet sich eine postmoderne manieristische Linie zu Wort und Bild. Die handbeschrifteten, alphabetisch zu Büchern geordneten aquarellierten Zeichnungen aus den letzten zwei Jahrzehnten stehen im Mittelpunkt der Bochumer Ausstellung. Auf ihnen ist ein rätselhafter, sich in Witz, Parodie und Satire entladender »Anti-Kosmos« (Monika Schmitz-Emans) zu besichtigen. Das subtile Spiel mit den Traditionen kann dabei derb, rücksichtslos und streitbar werden: »Kultur ist nicht Sache der Forschung, man muss sie erfinden.« (Paul Mersmann)
Neben den ABC-Büchern werden großformatige Werke von Mersmann aus den achtziger Jahren gezeigt.
Zu den Arbeiten
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Der plakatierte Ketzer wurde häufig als besonderes Schauobjekt auf Jahrmärkten vorgeführt, so noch nachweislich in Mainz zum Fest des Wiegendruckes, dem 12. Oktober 1722.
Lange vor Kafka kam die Inquisition auf die Idee, ihre Urteile auf die Körper gebildeter Ketzer zu drucken. Gelegentlich waren es Hohnsprüche wie auf dem hier gezeigten Blatt, manchmal auch fromme Ermahnungen oder das Urteil und kirchenrechtliche Kommentare.
Paul Mersmann: Sechsundzwanzig Blätter zur Förderung der Legendenbildung um Gutenberg (2004)
Paul Mersmann: Kaioptaitomon
Angeblich eine im Traum des Apelles erwähnte Farbe von rötlichem Blau zum Schaden entehrter Künstler. Die Farbe soll wohl im attischem Dialekt, etwa wie Lokopaitomon, Getränk der Blinden bedeuten und zur feierlichen Vergiftung geblendeter Maler bestimmt gewesen sein, denen das Geld für eine Vergoldung ihrer Maltafeln fehlte, was im alten Athen einer bösen Vorbedeutung für den Auftraggeber gleichkam. Ebenso zögerte man zu den Zeiten der schlimmen Tyrannen keinen Augenblick, einen Maler zu töten, zu blenden oder zu verbannen, wenn er das hohe Versprechen, das Wort Römer niemals selbst nicht wegen der kostbaren Roma-Büttenpapiere in den Mund zu nehmen, brach. Nur den Ort Fabriano erlaubte man gnädigst. Hinzu kommt, dass der Maler in Zeiten hoher Tabus jedem Auftraggeber versprechen musste, im Namen einer neuen Venus animalis Purpur und derbes Gold aufzulegen. Wenn ihm dies aber durch Genialität und Anspruch, gelegentlich wohl auch aus Not, nicht möglich war, verstieß ihn der Zeitgeist und man zog aus der Reihe gierig wartender Dilettanten einen genügend maskierten Lumpen zur weiteren Übernahme des Werkes ans Licht. Dies gehört, im Gegensatz zur falsch verdächtigten Knabenliebe, zum wahren Untergang Griechenlands. Erst die Kultur, dann das Land. Es gab zuviel Mist. Man merke sich das.
aus: Paul Mersmann/Ulrich Schödlbauer: Das Alphazet
Monika Schmitz-Emans: Homomaris
Paulus Homomaris (dt. Me(e)rsmann), aus Lichtel; in einer Reihe von Blättern erwähnt, u.a. als Zeuge von Gutenbergs Wirken. Homomaris, der die Dinge gern zum Fließen bringt (...), stellt eine interessante kulturvergleichende Verbindung zwischen Gutenberg und der russischen Lesepraxis her (vgl. das H-Blatt im Gutenberg-Zyklus), die den alten (von Hans Blumenberg kommentierten) Topos von der Konkurrenz zwischen gedruckten Büchern und dem Buch der Natur bekräftigt. »Nach des Paulus Homomaris Bericht über die Sternenschleifen im alten Russland waren sie die frühesten und ersten Himmelsschriften die später den Zugang zu der Erfindung Gutenbergs erschwerten. Man las den Himmel zuerst und dann, viel später, gedruckte Werke. Man sagt daher in Russland, wenn ein Schulkind nicht richtig lesen kann: Es liest nach dem Himmel.«
aus: Monika Schmitz-Emans: Paul Mersmanns ABC-Bücher
Die ABC-Bücher
Wer zu sehen gewillt und fähig ist, findet in Mersmanns A.B.C.-Büchern eine Abbreviatur der europäischen Malerei, keine tour de force, sondern eine dem aufblitzenden Wiedererkennen vorbehaltene Folge winziger Überblendungen und komisch-bizarrer Konfrontationen. Wer lesen mag, der findet in ihnen Landschaftserzählungen, wie sie seit Arno Schmidt nicht mehr versucht wurden. Aber das ist eine Nahperspektive, die nicht hergibt, aus welchen Quellen diese Poesie ohne Dichtung sich bedient. Ohne Dichtung deshalb, weil sie nicht dem Unbewussten, sondern der detailbeladenen Sprache folgt, dem Formelwesen des Wissens und der Überlieferung, nicht zu knapp dem zigmal gefilterten Pseudowissen der Anekdotenjäger und -sammler, mit den Nachschlagewerken in der Hand oder hinter dem Schreibtisch. Zu sagen, sie beginnt immer mit der Erschaffung der Welt, wäre so etwas wie ein Fauxpas, weil es das Thema ist, das in ihnen zirkuliert. Die Teufel- und Tölpelei der Welterschaffung dringt in die kleinsten Poren der Geschichte ein und lässt sie Gesichter schneiden. Das alt-grausige Gott ist tot lautet in Mersmanns Übersetzung La doux Marmelade, das süß' Marmelad.
aus: Ulrich Schödlbauer: Paul Mersmann, Europäer
Liste der Exponate
Eine Liste der ausgestellten Arbeiten von Paul Mersmann finden Sie hier.
Informationen im WWW
Zum Alphazet